25. Juli 2005, Neue Zürcher Zeitung

Facetten einer Liebe

Ein Schumann-Abend im St. Peter


Über Robert und Clara Schumann, das idealtypisch verklärte Traumpaar der musikalischen Romantik, ist viel nachgedacht und noch mehr geschrieben worden. Facetten ihrer Liebe in Worten und Tönen erklingen zu lassen, war das erklärte Ziel des dritten der vier Zürcher Kammerkonzerte, welche die musikalische Sommerpause mit "spannungsvollen Programmen" und "aussergewöhnlichen, eigenwilligen Musikern" zu füllen gedenken. Der Abend in der Kirche St. Peter in Zürich wurde beiden Ansprüchen vollauf gerecht. Nicht nur war mit Lesungen aus Briefen, Rezensionen und Tagebüchern das Werden und Vergehen einer Liebe skizziert, in einer klugen, bewusst auf das Schaffen Robert Schumanns sich beschränkenden Auswahl von Klavierwerken wurde die Brücke vom jugendlichen Enthusiasmus zu der in sich gekehrten, schmerzlich melancholischen Stimmung der Spätjahre geschlagen.

In der Schauspielerin Corinna Kirchhoff und der Pianistin Elisabeth Leonskaja waren zwei Interpretinnen am Werk, welche die sich eröffnende Bandbreite romantischer Emphase meisterlich darzustellen wussten. "Was ist die schönste Idee? Das Leben!" Der schwärmerischen, die Sehnsucht nach Anerkennung und nach einer Geliebten spiegelnden Schilderung aus Roberts Jugendtagebüchern schlossen sich die "Papillons" nahtlos an: wunderbar pointiert, die aufeinander prallenden Gefühlsgegensätze aufs Schönste auslotend dargeboten. Welch ein Kontrast zu den Eintragungen in Claras Tagebüchern der 1850er Jahre, die den psychischen und physischen Zerfall Robert in schmerzlichen Worten schildern, zu den "Geistervariationen" und "Gesängen der Frühe", in deren dunkler Getragenheit der Abend stimmungsvoll ausklang. Dazwischen - grossartig gespielt - die fis-MollSonate: "...und nichts denken als Dich" - man hätte dem Liebespaar gerne noch länger gelauscht.


Christoph Ballmer



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