2. August 2008, Neue Zürcher Zeitung

Erzählen und verströmen

Midori in der Kirche St. Peter


Sie sind bereits zur lieben Zürcher Sommertradition geworden, die Kammerkonzerte in der Kirche St. Peter. Auch dieses Jahr bringen vier Abende mit teilweise überraschenden Programmen während der Hundstage Erfrischung für Geist und Sinn. Ein bekannter Name lockte ein zahlreiches Publikum ins Eröffnungskonzert der vierten Saison: Midori, die sich im Verlaufe ihrer 25-jährigen Karriere vom Wunderkind zur reifen Geigerin entwickelt hat, hatte sich mit zwei jungen Mitmusikern für einen Trioabend angekündigt. Die gebürtige Japanerin pflegt nicht nur das Standardrepertoire, sondern berücksichtigt in ihren Programmen regelmässig auch Raritäten. Leon Kirchner zum Beispiel, einen 1919 geborenen amerikanischen Komponisten und Schönberg-Schüler, der in seinem 1954 entstandenen ersten Klaviertrio ausdrucksvolle Linien mit erregter Gestik verbindet. Überzeugend gelang die Interpretation: Jonathan Biss tat sich vom Klavier aus mit kräftigen motorischen Impulsen hervor, wusste aber auch in subtilen Farben zu malen, während Midori und der Cellist Johannes Moser ihren Part überaus beredt gestalteten.

St. Peter ist eine wunderbare Konzertkirche, doch fordert sie sowohl seitens der Interpreten wie seitens des Publikums jeweils eine gewisse akustische Angewöhnung. Lag es daran, dass das Trio Nr. 2 F-Dur op. 80 von Robert Schumann noch etwas angespannt wirkte und der Funke trotz Midoris perfekter Phrasierungskunst nicht recht überspringen wollte? Im abschliessenden "Erzherzog"-Trio op. 93 von Ludwig van Beethoven war von etwaiger Verkrampfung nichts mehr zu spüren. Gelöstes Musizieren, gepaart mit liebevollen und zärtlichen Gesten, verlieh dem Kopfsatz eine ganz eigene sprechende Poesie, die in der Pizzicato-Passage der Durchführung besondere klangliche Finesse entfaltete. Zum Höhepunkt des gemeinsamen Musizierens geriet die Coda des Variationensatzes. Das verhalten glühende Espressivo setzte den Überraschungseffekt in der Überleitung zum Finale umso wirkungsvoller in Szene. - Mit dem Andante aus dem d-Moll-Trio von Felix Mendelssohn dann nochmals ein Verströmen und Verschenken als Zugabe.




Jürg Huber

Zürich, Kirche St. Peter, 31. Juli.







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