23. Oktober 2007, Neue Zürcher Zeitung

Französische Farben

Christian Poltéra in der Kirche St. Peter


Seit drei Jahren führt der Zürcher Kammerkonzertverein mit Erfolg Sommerkonzerte durch. Nun wagt er sich erstmals an einen Herbstzyklus und präsentiert bis Ende November in der Kirche St. Peter allwöchentlich eine Kammermusikformation vom Duo bis zum Oktett. Die ersten Gäste, der Cellist Christian Poltéra und seine Klavierpartnerin Kathryn Stott, setzen einen hohen Qualitätsstandard. Gleich zu Beginn des Abends liess der gebürtige Zürcher alle Facetten seiner Kunst aufscheinen, die ihn auf die Konzertpodien in der ganzen Welt führt.

Claude Debussys Sonate für Violoncello und Klavier birgt in gut zehn Minuten einen Reichtum an Farben, Stimmungen und Gedanken, den der Solist von der sonoren Tiefe bis ins fragile Piano auslotete. Ohne im Blick aufs Detail die Übersicht zu verlieren, spannte er einen grossen Energiebogen über den ersten Satz, machte die innere Zerrissenheit und Gefährdung der folgenden Sérénade spürbar und liess auch im zupackenden Finale den wehmütigen Abschiedston nicht vergessen. Die Cellosonate g-Moll op. 117 von Gabriel Fauré und César Francks A-Dur-Sonate geben den einzelnen Empfindungen mehr Raum, um sich zu entfalten. Poltéra nutzte die Möglichkeit, Faurés weite Phrasen reich abzuschattieren und die harmonischen Wechsel bei Franck durch Färbungen des Klangs subtil zu verdeutlichen. Einzig im zweiten Satz der Franck-Sonate, wenn leidenschaftliche Emphase gefordert ist, schien der Cellist an Grenzen des Ausdrucks zu stossen.

Doch Poltéras französische Klangbilder sind als duftige Aquarelle gemalt: kräftig die Pigmente, die Farben leuchtend, der Strich klar und behutsam zugleich, die Gedanken mit unaufdringlicher Eleganz formuliert. Unterstützt von der Kirchenakustik blühte sein schlanker Celloton aufs Schönste auf und erreichte zumal im Piano höchste Gesangsqualität. In Kathryn Stott konnte Poltéra sich auf eine Partnerin am Klavier verlassen, die sich nicht in den Vordergrund drängte, doch mit genau dosierter Energie auch die weiteren Werke - Arthur Honeggers Sonatine und Nadja Boulangers Drei Stücke für Violoncello und Klavier - souverän mitgestaltete.


Jürg Huber

Zürich, Kirche St. Peter, 19. Oktober.



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