18. August 2009, Neue Zürcher Zeitung

Wendiges Barock

Jordi Savall und Rolf Lislevand in Zürich


Aus ihrem befreiten und entspannten Zusammenspiel spürt man: Das sind zwei langjährige Gefährten, Jordi Savall mit seiner Bassgambe, Rolf Lislevand mit der Theorbe und Barockgitarre. An ihrem Abend bei den Zürcher Kammerkonzerten in der Kirche St. Peter in Zürich haben sie auch ein entsprechendes Repertoire ausgewählt, das ihre musikalische Wendigkeit aufs Schönste zur Geltung brachte. Es erklangen Stücke aus dem 16. und 17. Jahrhundert, welche vorwiegend aufgeschriebene Improvisationen über verschiedenen, einfachen Bassmodellen sind. Die Verwandtschaft mit der Chorus-Improvisation des Jazz im 20. Jahrhundert ist offensichtlich, wiewohl natürlich stilistische Welten dazwischen liegen. Aber manchmal meint man dem improvisatorisch Jordi Savall begleitenden Spiel von Rolf Lislevand anzuhören, dass ihm die moderne Improvisationspraxis durchaus vertraut ist, so direkt und expressiv lässt er den Funken zum Publikum springen.

Mit Variationen über Passamezzo- und Romanesco-Bässen von Diego Ortiz spielten sich die beiden zu Beginn warm. Dann einige Gambensoli des experimentierfreudigen, die Gambe spielenden englischen Hauptmanns Tobias Hume aus seinen 1605 publizierten "Musicall Humors". Da werden im "A Souldiers March" oder im programmmusikalischen "A Souldiers Resolution" die Saiten der Bassgambe nicht nur gestrichen, sondern auch gezupft und mit dem Holz des Bogens trommelartig angeschlagen, was nicht nur damals gehörig Effekt gemacht hat. In den anonymen Solostücken "The Lancashire Pipes" verwandelte Savall die Gambe dank einer Skordatur gleichsam in einen Dudelsack.

Fabelhaft dazwischen die vier Theorbensolostücke, welche der Deutsch-Italiener Hieronymus Kapsberger nach Alessandro Piccinini verfasst hat, und Lislevand spielte die abschliessende Ciaccona so, dass man meinte, sie wäre im Moment über dem Stufenbass frei improvisiert worden. Dieses gelöste, aber auch packende Phantasieren vermittelte Lislevand auch als Solist auf der Barockgitarre in Stücken von Antonio de Santa Cruz und Gaspar Sanz. Delikatessen ersten Ranges indes waren die ausgewählten "Pièces de Viole" und die den Abend abschliessenden "Folies d'espagne" des französischen Gambenvirtuosen Marin Marais: ein meisterliches barockes improvisatorisches Zusammenspiel.


Alfred Zimmerlin

Zürich, St. Peter, 16. August.



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