5. Juli 2007, Zürcher Oberländer

Kirche St. Peter Eröffnung Zürcher Kammerkonzerte Sommer 2007

Singende Geige im Kirchenschiff

In ihrer dritten Saison wirken die Zürcher Kammerkonzerte in der Kirche St. Peter bereits gut konsolidiert mit klarem Profil, das überzeugt.


In diesem Sommer wagt man sich jedoch an schwergewichtige Programme, zum Beispiel mit den zwei Klavierabenden von François-Frédéric Guy, der sieben grosse Sonaten - darunter die drei letzten - von Beethoven präsentiert. Es gastieren aber auch die Brüder Capuçon mit Werken für Violine und Violoncello von Schulhoff, Ravel und Kodály und als Krönung die Weltklasse-Sopranistin Emma Kirkby, welche, begleitet vom Lautenisten Jakob Lindberg, Renaissance-Lieder zur "Morgendämmerung im Abendland" singt.

Das Eröffnungskonzert vom Donnerstag, welches Radio DRS 2 aufgezeichnet hat, brachte die Begegnung mit dem jungen Geiger Ilya Gringolts und dem Pianisten Alexander Madzar. Unter dem Motto "Spiegelungen, Schattenbilder" setzten sie die beiden ganz unterschiedlichen "Welten" von Beethoven und Prokofiew raffiniert zueinander in Beziehung. Madzar, 1968 in Belgrad geboren, hat sich trotz frühen Preisen erst einmal zurückgezogen, um dann 2004 seine internationale Karriere erfolgreich durchzustarten. Gerade anhand der "6 Bagatellen" op. 126, dem letzten Klavierwerk von Beethoven, wurde am Donnerstagabend seine vielschichtige Deutungskraft offenbar: diese Brüche, das Auflösen der rhythmischen Struktur in einen schwebend pedalisierten Klang, ganz versunken vorbereitete, überraschende Ausbrüche, kraftvolle Proteste gegen das Auflösen der Form in einen unendlichen Fluss. Madzar lotete die unerhörten Dimensionen dieser "Bagatellen" mit feinsten Anschlagsschattierungen und Formgefühl aus.

Im Vergleich mit Prokofiews f-Moll-Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 op. 80 wurde die Radikalität von Beethovens Spätwerk um so deutlicher. Der russische Geiger Ilya Gringolts, der 1998 als 16-Jähriger den renommierten Paganini-Wettbewerb gewann, vermochte die "gedämpfte" Pianissimo-Virtuosität zu Beginn der Sonate geheimnisvoll packend zu gestalten. Der wuchtig und hartnäckig schlagende zweite Satz gelang dank dem wohldosierten Einsatz des Pianisten echt bedrohlich, schattenhaft das "Andante", brillant und doch ausdrucksstark das Pizzicato im finalen "Alegrissimo".

Wie eine Solo-Violine in einem akustisch guten Kirchenraum klingt, konnte man in der Sonate für Solovioline in D-Dur op. 115 von Prokofiew erleben. So hoch virtuos und filigran dieses Stück ist, es gewann im St. Peter eine einzigartige Klangdimension. Die Springbogen-Stretta zum Schluss war von mitreissend bezwingender Bedeutungskraft. So wirkte am Ende des Programms Beethovens Violinsonate in c-Moll op. 30 Nr. 2 schon fast wieder versöhnlich. Das feine Gehör, die agile Virtuosität und dialogische Fantasie der beiden Musiker liess keine Wünsche offen - das Publikum war begeistert.


Sibylle Ehrismann



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