Kremer und die Jugend
Zürich, Kirche St. Peter. - "Sein Weg verläuft abseits aller
ausgetretenen Klangpfade (...) auf schmalem Grat zwischen
unterschiedlichsten Musikwelten", heisst es über ihn ganz richtig im
Programmheft. Freilich, so müsste man anfügen, tut er dies in bester
Gesellschaft, denn wenn der Geiger Gidon Kremer seinen eigenen Weg
geht, so wird er dabei doch oft von jungen, hochtalentierten, gut
aussehenden und phänomenal aufspielenden Musikerinnen begleitet, so
etwa in seinem Kammerorchester, der Kremerata Baltica, oder nun am
Mittwoch bei den Zürcher Kammerkonzerten. Ähnlich wie Martha
Argerich, mit der er gerade bei EMI eine neue Live-CD herausgegeben
hat, inspiriert er die jüngere Generation - und lässt sich
gleichermassen von ihr anspornen.
Zu den von Kremer und Argerich gleichermassen Geförderten gehört zum
Beispiel die 21 Jahre alte georgische Pianistin Khatia Buniatishvili,
ein Riesentalent, manchmal möchte man angesichts ihres ebenso
natürlichen wie temperamentvollen Spiels sagen: die würdige
Argerich-Nachfolgerin. Kürzlich hat sie beim Progetto Martha Argerich
in Lugano für Furore gesorgt, als sie innert dreier Tage das virtuose
Klaviersextett von Mendelssohn einstudierte und es fulminant darbot.
Solistin in der Kremerata Baltica wiederum ist die litauische
Cellistin Giedre Dirvanauskaite. Und mit diesem beiden Musikerinnen
hat uns Kremer nun nach Russland entführt, in tragisch dunkle
Abgründe, in denen aber auch warmes Licht aufscheint. Dmitri
Schostakowitschs bohrendes 2. Klaviertrio von 1944, dann das fein
schattierte, verspiegelte Klangspiel in den "Miroirs" des in Belgien
lebenden Petersburgers Victor Kissine: Das waren bereits Erlebnisse.
Nach der Pause folgte Tschaikowskys Trio op. 50, ein Werk, das sich
meisterlich in der Überdehnung steigert, in weitem Bogen über eine
Dreiviertelstunde hinweg gezogen und doch erstaunlich knapp
formuliert, sprühend und manisch, ein kammermusikalisches Epos, das in
einen Trauermarsch mündet. Man hörte ungeschönte, intensive
Streicherklänge, ausgesungene Melodien, antreibende Klavierpassagen,
eine innig verzahnte Polyfonie, starke Musik, enorm stark gespielt.
Thomas Meyer
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