28. August 2009, Tages-Anzeiger

Kremer und die Jugend


Zürich, Kirche St. Peter. - "Sein Weg verläuft abseits aller ausgetretenen Klangpfade (...) auf schmalem Grat zwischen unterschiedlichsten Musikwelten", heisst es über ihn ganz richtig im Programmheft. Freilich, so müsste man anfügen, tut er dies in bester Gesellschaft, denn wenn der Geiger Gidon Kremer seinen eigenen Weg geht, so wird er dabei doch oft von jungen, hochtalentierten, gut aussehenden und phänomenal aufspielenden Musikerinnen begleitet, so etwa in seinem Kammerorchester, der Kremerata Baltica, oder nun am Mittwoch bei den Zürcher Kammerkonzerten. Ähnlich wie Martha Argerich, mit der er gerade bei EMI eine neue Live-CD herausgegeben hat, inspiriert er die jüngere Generation - und lässt sich gleichermassen von ihr anspornen.

Zu den von Kremer und Argerich gleichermassen Geförderten gehört zum Beispiel die 21 Jahre alte georgische Pianistin Khatia Buniatishvili, ein Riesentalent, manchmal möchte man angesichts ihres ebenso natürlichen wie temperamentvollen Spiels sagen: die würdige Argerich-Nachfolgerin. Kürzlich hat sie beim Progetto Martha Argerich in Lugano für Furore gesorgt, als sie innert dreier Tage das virtuose Klaviersextett von Mendelssohn einstudierte und es fulminant darbot.

Solistin in der Kremerata Baltica wiederum ist die litauische Cellistin Giedre Dirvanauskaite. Und mit diesem beiden Musikerinnen hat uns Kremer nun nach Russland entführt, in tragisch dunkle Abgründe, in denen aber auch warmes Licht aufscheint. Dmitri Schostakowitschs bohrendes 2. Klaviertrio von 1944, dann das fein schattierte, verspiegelte Klangspiel in den "Miroirs" des in Belgien lebenden Petersburgers Victor Kissine: Das waren bereits Erlebnisse. Nach der Pause folgte Tschaikowskys Trio op. 50, ein Werk, das sich meisterlich in der Überdehnung steigert, in weitem Bogen über eine Dreiviertelstunde hinweg gezogen und doch erstaunlich knapp formuliert, sprühend und manisch, ein kammermusikalisches Epos, das in einen Trauermarsch mündet. Man hörte ungeschönte, intensive Streicherklänge, ausgesungene Melodien, antreibende Klavierpassagen, eine innig verzahnte Polyfonie, starke Musik, enorm stark gespielt.


Thomas Meyer

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