20. August 2007, Zürcher Oberländer

Zürich Hochklassiges Kammerkonzert in der Kirche St. Peter

Ein starkes Duo mit Temperament spielte Trouvaillen

Die erst 21-jährige Geigerin Alena Baeva aus Kasachstan und die Pianistin Gyuzal Karieva aus Usbekistan verzauberten das Publikum im St. Peter mit Trouvaillen der Duo-Musikliteratur.


Die Zürcher Kammerkonzerte scheinen ein Eldorado für hochklassige Konzerte mit Künstlerinnen und Künstlern zu sein, die noch nicht auf den Titelseiten von Musikmagazinen erscheinen, aber deren Namen man sich merken sollte. Ein solches Konzert erlebten die zahlreichen Besucherinnen und Besucher des Freitagabendkonzertes in der Kirche St. Peter. Der Abend unter dem Titel: Zuversicht, Zweifel, Aufbruch war fünf Komponisten gewidmet, die die Schrecken von zwei Weltkriegen erlebten und deren Werke sowohl die Zeichen ihrer Zeit deuten als auch die tiefe Verbindung mit ihrem Heimatland erkennen lassen.

Igor Strawinsky bearbeitete seine Ballettsuite "Pulcinella" gleich selbst für drei Duo-Versionen, darunter die Suite Italienne für Violine und Klavier, mit der Alena Baeva, Violine, und Gyuzal Karieva, Klavier, den Duo-Abend eröffneten. Strawinsky kombinierte in seiner "Pulcinella"-Musik Kompositionen von Giambattista Pergolesi mit seiner damals eigenen neoklassizistischen Tonsprache. Zaghaft und verhalten gestalteten Alena Baeva und Gyuzal Karieva den Beginn des sechsteiligen Werkes. Dies änderte sich erst so richtig mit der Tarantella, bei der sich Violinistin und Pianistin gegenseitig anstachelten und wildes, südländisches Temperament versinnbildlichten. Der Funke war gesprungen, und ab jetzt gab es Strawinsky aus dem Bilderbuch.

Wild und urwüchsig

Bela Bartoks grosser Traum war die Verbrüderung aller Völker durch die Kraft der Musik. Wie kein anderer Komponist verband er traditionelles Volksgut und moderne Stil- und Strukturformen, aber auch osteuropäische und westliche Musik. Die zwei Rhapsodien für Geige und Klavier, deren erste das Duo Baeva/Karieva spielte, sind ein Beispiel für seine akribische Erforschung der rumänischen und ungarischen Volksmusik. Bei Alena Baeva und Gyuzal Karieva war diese wilde, urwüchsige, mit eigenwilligen Rhythmen versehene Musik in besten Händen. Hier machte vor allem die usbekistanische Pianistin Karieva auf ihre fabelhafte Anschlagstechnik und ihr Gefühl für pointierte, rhythmische Akzente aufmerksam.

Francis Poulenc hatte seine liebe Mühe mit der Geige als Soloinstrument: "Die Primadonna-Geigenmelodie über sanften Klavierklängen macht mich krank." So verwundert es nicht, dass er in seiner einzigen Violinsonate beide Instrumente eigenständig und gleichwertig behandelte. Wunderschön wie die beiden Musikerinnen diese Symbiose eindrücklich demonstrierten. Beide verfügen über eine grosse Tonpalette und einen untrüglichen Sinn für kontrastreiche Schattierungen. Faszinierend, wie sie die ständigen abrupten und verschlungenen Stimmungs- und Rollenwechsel in Poulencs Musik mit markanter Eindrücklichkeit entstehen liessen. Alena Baeva beherrscht nebst Temperament auch die feinen, leisen Töne und besticht mit einem berückenden Legatospiel.

Die vier Préludes von Dmitrij Schostakowitsch aus den 24 Préludes op. 34 für Klavier erhielten in der Fassung für Violine und Klavier zwar verfeinerte Facetten der Melodiestimme, wirken aber etwas gekünstelt, weil sie die klangliche Einheit der alleinigen Klavierstimme verlieren.

Karol Szymanowskis Musik ist auf dem Konzertpodium eine Rarität, was schwer erklärbar ist, wenn man wieder einmal eines seiner grossartigen Werke, wie das Nocturne und die Tarantella op. 28 in einer so umwerfenden Wiedergabe, wie am letzten Freitagabend, hört. Natürlich erfordert die Interpretation dieser überschwänglichen, hochvirtuosen und anspruchsvollen Musik hohes technisches Können und eine expressive Ausdruckskraft. Alena Baeva und Gyuzal Karieva verwandelten das Kirchenschiff mit dem Notturno in ein geheimnisvolles orientalisches Gemach. Aus diesem trieb einen dann, wie von der Tarantel gestochen, die heissblütige, exzessive Tarantella und beendete das Konzert mit einem fulminanten Höhepunkt.


Irène Maier



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