23. August 2008, Zürcher Oberländer

Zürcher Kammerkonzerte

Pietro de Maria als grosses Finale

Die Zürcher Kammerkonzerte im St. Peter wurden mit einem Klavierabend des italienischen Pianisten Pietro de Maria beendet.


Pietro de Maria gehört zu den Preisträgern des Tschaikowski-Wettbewerbs und des Geza-Anda-Wettbewerbs in Zürich. Zurzeit ist er daran, für das Label Decca das gesamte Klavierwerk von Frédéric Chopin bei verschiedenen Konzertveranstaltern in Italien aufzuführen und einzuspielen. Dass ihm Chopin mit seiner lyrisch versponnenen und doch immer wieder herb ausbrechenden Musik besonders liegt, bestätigte er im zweiten Teil seines Zürcher Programms.

Die beiden Nocturnes op. 27 tauchte de Maria mit schwebendem Pedal in ein diffuses Licht. Die linke Hand sorgte für einen kaum mehr artikulierten harmonischen Raum, aus dem die Melodie geheimnisvoll auf- und wieder abtauchte. Das Spannungsfeld zwischen linker und rechter Hand spielte er schattenreich aus.

Ruhig und ausbalanciert

Und danach die grosse Sonate Nr. 2 mit der "Marche funèbre". Pietro de Maria spielte das "Grave" ohne übertriebenes Pathos, mit unheimlicher Ruhe und elastischer Kraft. Überhaupt ist erstaunlich, wie bei diesem Pianisten der Körper bei allen Ausdrucksnuancen ganz ruhig und ausbalanciert wirkt. Keine Bewegung zu viel, alles sehr ökonomisch und doch voller Leben. Im Anschluss daran die "Marche funèbre", ohne übertriebene Erschütterung, sondern mit einer verlorenen Melodie, völlig losgelöst vom Bass. Rasend huschend das Presto-Finale mit grandiosem Schlussakkord.

Wie viel de Maria pianistisch zu sagen hat, offenbarte sich an diesem Abend im schlichtesten Stück: dem "Lento e patetico" in Muzio Clementis Sonate fis-Moll, op. 25 Nr. 5. Jeder Ton, jede Phrase wurde mit unerhörter Ruhe ausgebreitet. Das "con espressione" des Kopfsatzes klang so, als würde es der empfindsame Bach-Sohne Carl Philipp Emanuel spielen, nichts wirkte mechanisch, sondern mit feinsten Nuancen spielerisch befreit.

Cembalo-Ton präzise getroffen

Selten zu hören sind auch Domenico Scarlattis Clavicembalo-Sonaten. Sie auf einem Stainway-Flügel zu präsentieren, ist gewagt. De Maria spielte zur Eröffnung des Abends nahtlos hintereinander sechs Scarlatti-Sonaten und traf den Cembalo-Ton präzise, ohne die Möglichkeiten des Klaviers zu ignorieren. Die Egalität und Körperlosigkeit seines Spiels, die technische Leichtigkeit und verspielte Kontrolle seiner Tongebung erhellten die originellen Einfälle Scarlattis eindrücklich. Kein Wunder, wirkten nach dieser quirligen Gleichmässigkeit die feinen Rubati bei Chopin umso stärker. Und so sparsam de Maria an diesem Abend das vollgriffige Fortissimo einsetzte, seine virtuose Polonaise-Dreingabe war umso wirkungsvoller und löste beim Publikum einen Bravo-Sturm aus.


Sibylle Ehrismann



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