Sonntag, 29. August 2010, 19:30 - Kirche St. Peter

casalQuartett
Michael Zisman, Bandoneon

Hingabe, Befreiung. Moment und Schicksal
Der Schicksalsmoment ist ein rätselhaftes Gebilde. Schon sein Wortkörper fragt nicht nur nach seiner Bedeutung, sondern hintersinnt auch deren Deutung: Ist er ein Augenblick, welcher von seinem Geschehen in Besitz genommen wird - oder ein Seelenzustand, in welchem sich Zukünftiges und Vergangenes zu vorbestimmtem Dasein verdichtet? Besteht er aus einem brüchigen, staubigen Stück aufbewahrter Zeitsubstanz, oder stellt er nichts als eine Schleuse dar - nur zufällig offen oder geschlossen - durch welche mit stetigem Gleichmut die Ereignisse fliessen?

Das von seinem Schicksal getriebene Individuum kann sich der Versuchung meist nicht erwehren, die abrupten oder unmerklichen Übergänge zwischen seinen Lebensabschnitten mit der Macht des Zufalls zu erklären (oder mit ordnenden Kräften, deren wesentliches Merkmal in ihrer Unergründlichkeit besteht). Aus dieser Haltung heraus kann es verständnislos aufbegehren oder sich ins Unvermeidliche fügen - doch diese beiden Reaktionen vermögen den Menschen kaum voranzubringen, weder in seinem Fühlen noch in seinem Handeln.

Womöglich birgt die Erkenntnis, dass die bestimmenden Momente der Existenz zwar nicht immer zu beherrschen, oft aber durchaus zu begreifen sind, eine grundlegende künstlerische Triebfeder. Sich seinem Schicksal zu ergeben, ist das eine - sich ihm hinzugeben, etwas ganz anderes. Wer es wagt, den Strom der enormen Kräfte, welche uns von innen und aussen umgeben, bedrängen und antreiben, zum Instrument seines eigenen Wirkens zu machen, erlangt in seiner Hingebung die grösste Freiheit - zu werden, wer man sein muss.


Darius Milhaud (1892-1974)
Quatuor à Cordes no. 1


George Gershwin (1898-1937)
Porgy & Bess-Suite


Michael Zisman (*1982)
Werke für Bandoneon solo


Astor Piazzolla (1921-1992)
Five Tango Sensations