Ihre gemeinsame Reise haben das Hilliard Ensemble und Jan Garbarek
1993 mit "Officium" begonnen, 1999 in "Mnemosyne" fortgesetzt und nun
durch "Officium Novum" an neue Ufer getragen. Seit der ersten,
behutsamen Begegnung zweier Musikwelten, so verschieden in Herkunft,
Gestalt und Zeitempfinden, haben beide Seiten den Zugang zu einer
einzigartigen Form des musikalischen Ausdrucks gefunden, aus der ihnen
auch eine neue Freiheit im Umgang mit der jeweils eigenen Sphäre
erwachsen sollte.
Im Lauf dieser siebzehn Jahre ist aus dem Zusammentreffen zweier
grosser künstlerischer Identitäten eine stetige kreative Entwicklung
entstanden. Für das Hilliard Ensemble sind Jan Garbareks Improvisationen
ebenso zur Inspiration geworden wie die daraus gewonnene Offenheit im
Umgang mit den manchmal nur fragmentarisch vorhandenen Elementen ihrer
Musik. Garbareks Art, Melodien zu erschaffen, veränderte sich durch
die Annäherung an Werke aus jahrhundertealten Überlieferungen, aber
auch durch sein Eintauchen in den Fluss der Wechselwirkungen innerhalb
des Gesangsquartetts. Parallel zu den faszinierenden Transformationen
am musikalischen Stoff vollziehen sich hier unzählige Verwandlungen an
den Distanzen der Musiker untereinander, zu ihrem eigenen Empfinden,
zur Ausdehnung ihrer kreativen Grenzen.
Wem die Dimensionen eines neuen Kosmos zuteil werden, findet den Mut
zur Nähe - die Unerschrockenheit, wohlproportionierte Entfernung einer
eigendynamischen Unmittelbarkeit zu opfern. Doch gerade die Nähe ist
eine ganz besondere Distanz, deren Wahrung nicht nach Einstimmigkeit,
sondern nach Frage und Antwort, nach sanfter Erschütterung und
machtvoller Ruhe verlangt. Je näher man sich zueinander wagt, desto
intensiver muss dieser Austausch werden, der das Eigene immer klarer
zutage treten lässt, das Andere immer tiefer zu lieben ermöglicht.
Werke von Komitas, Pärt, Pérotin, Garbarek u.a., sowie anonyme Überlieferungen
|